Swiss Payment Forum 2025

Die KI-Revolution der Payment-Branche beginnt erst

Uhr
von René Jaun und NetzKI Bot und dwi

Finanzdienstleister prüfen Transaktionen schon heute mit KI. Doch die Gäste am Swiss Payment Forum machten klar, dass die Technologie noch viel mehr kann - heute, morgen und übermorgen.

Das Swiss Payment Forum ist zum 14. Mal über die Bühne gegangen. Auf dieser sprachen unter anderem Daniela Massaro und Davide Messino von Mastercard über den Milliardenmarkt des Agentic Commerce. (Source. zVg)
Das Swiss Payment Forum ist zum 14. Mal über die Bühne gegangen. Auf dieser sprachen unter anderem Daniela Massaro und Davide Messino von Mastercard über den Milliardenmarkt des Agentic Commerce. (Source. zVg)

Zum 14. Mal hat am 17. und 18. November das Swiss Payment Forum stattgefunden. Von Behörden über Finanzdienstleister bis zu IT-Firmen versammelten sich alle, die in der Payment-Branche mitmischen, um im Marriott Hotel in Zürich über Trends, Visionen und Herausforderungen zu diskutieren.

Einmal mehr mangelte es auch dieses Jahr nicht an Themen: "Die Payment-Landschaft entwickelt sich in sämtlichen Dimensionen – das geht in alle Richtungen", brachte es Sandro Graf, Dozent an der ZHAW, Payment-Experte und Moderator des ersten Tages, zu Beginn der Veranstaltung auf den Punkt. Gleichzeitig führte er auch das klare Hauptthema ein – die künstliche Intelligenz: "Am 30. November 2022 sahen wir mit dem Start von ChatGPT eine spannende Entwicklung, die uns bis heute sehr stark beschäftigt".

Sicherheit als Team-Sport

Der KI-Boom eröffnet für die Payment-Branche zwar neue Chancen, fordert sie aber auch heraus. Der Markt sei stark fragmentiert, verändere sich rasant und es gelte, mit technologischen Entwicklungen schrittzuhalten, führten etwa Ilias Smaragdis und Ana Dukic von NCR Atleos aus. Schwerpunkt ihres Vortrages war die Betrugsbekämpfung. Leider setzen hier nicht nur Banken, sondern auch die Betrüger selbst auf die neue Technologie und entwickeln ganze betrügerische Ökosysteme (Fraud-as-a-Service) mit Deepfakes, gefälschten Identitäten und Social Engineering. Auch "Old-School-Fraud" ist nach wie vor ein Problem, welches die Betrüger mit dem neuesten Gadget perfektionieren. Dazu gehört das "ATM-Skimming" (das Fotografieren von Kreditkartendaten oder PIN-Codes an Geldautomaten) oder das Cash-Trapping, also das Stehlen des Geldes, sobald Kunden es am Automaten abheben wollen.

Finanzinstitute wiederum können KI nutzen, Anomalien in Millionen Transaktionen in Echtzeit zu erkennen, Deepfakes zu entlarven und digitale Identitäten zu prüfen. Doch mit KI alleine ist es nicht getan: "Es braucht nach wie vor menschliche Regeln und menschliche Aufsicht", stellten die Referierenden klar. Regelbasierte Betrugsbekämpfung funktioniert in manchen Fällen effizienter und lässt sich schneller einsetzen als ein KI-basierter Ansatz, zumal ein Algorithmus erst für ein bestimmtes Betrugsmuster trainiert werden muss, wie Dukic erklärte. Sehr deutlich plädierte sie auch für Kooperation: "Dies ist der Bereich, in dem Banken zusammenarbeiten sollten, anstatt gegeneinander zu konkurrieren", so die Referentin. Sich über neue Betrugsarten auszutauschen, erhöhe die Sicherheit aller Transaktionen: "Sicherheit ist ein Team-Sport."

Thomas Fromherz von Netcetera sprach unter anderem über Passkeys. Ursprünglich als Ersatz für reguläre Passwörter konzipiert, lassen sie sich zunehmend auch zur Autorisierung von Finanztransaktionen einsetzen. Und Stefan Giger von Six sowie Thomas Müller von Rivero sprachen über besonders kundenfreundliches Verhalten eines Finanzinstituts nach einem Betrugsfall. Ihre Message: Durch klare Prozesse und Automatisierung könne ein negatives Erlebnis für den Karteninhaber in ein positives gewandelt werden.

Ein Milliarden-Markt wartet

In einem weiteren Themenblock widmete sich das Swiss Payment Forum den Stablecoins. Pascale Bruderer von Swiss Stablecoin – auch vergangenes Jahr schon auf der Bühne – lobte das unlängst vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickte überarbeitete Finanzinstitutsgesetz. In den letzten Jahren sei die Schweiz ins Hintertreffen geraten. Das vorgeschlagene Gesetz sei "eine solide Regulierung" und ermögliche der Schweiz, "sich international nicht nur mittelmässig, sondern erstklassig zu positionieren". Dass noch einige Details zu bereden sind, zeigte im Anschluss Matthias Obrecht auf, der die Finanzmarktaufsicht (Finma) vertrat. Insbesondere gelte es, klar festzulegen, unter welchen Bedingungen Transaktionen genehmigt werden sollten – ob mit einem White-List- oder einem Black-List-Ansatz. "Wahrscheinlich braucht es irgendwo etwas dazwischen", so der Referent. Und es werde wohl komplex sein, die genauen Risikofaktoren festzulegen und umzusetzen.

Mehr zu Stablecoins lesen Sie übrigens im Themenschwerpunkt der Netzwoche 12 / 2025.

Bei Visa sind Stablecoins nicht mehr irgendein Thema, sondern "eine Top-Priority", wie Visa-Schweiz-Chef Santosh Ritter verriet. Hauptthema von Ritters Vortrag war aber Agentic Commerce, also der von KI-Agenten unterstützte Handel. Der sei "eine genauso wichtige Transformation und genauso wichtige Entwicklung wie die Einführung von E-Commerce oder M-Commerce vor einigen Jahren", gab sich der Referent überzeugt. KI-Tools verändern demnach jetzt schon das Kaufverhalten von Kunden. Zwei essentielle Grundpfeiler für Agentic Commerce sind Sicherheit und Vertrauen. Dazu präsentierte Ritter eine Reihe von Services, mit denen Visa KI-Agenten künftig ermöglichen will, Transaktionen zu tätigen, während der Mensch die Kontrolle behält.

Santosh Ritter, Visa-Schweiz-Chef, während seinem Vortrag am Swiss Payment Forum 2025

Der Visa-Schweiz-Chef Santosh Ritter sprach während seines Vortrags über Agentic Commerce. (Source: zVg)

Den Milliardenmarkt des Agentic Commerce will auch Mastercard erschliessen. Dies bekräftigten die Schweiz-Verantwortliche Daniela Massaro zusammen mit Davide Messina, Senior Vice President Digital Payments. Letzterer stellte klar, dass heute schon Millionen Transaktionen gänzlich innerhalb von KI-Systemen wie Perplexity Shopping erfolgten. Dabei handelt es sich aktuell noch um Sofortkäufe, die im Beisein des menschlichen Users erfolgen. Deutlich komplexer seien verzögerte Käufe. Dabei tätigt die KI selbständig einen Kauf basierend auf zuvor festgelegten Kriterien, so Messina. Um Agentic Commerce zu ermöglichen, müssen laut dem Referenten agentenbasierte Transaktionen für das gesamte Ökosystem als solche erkennbar sein. Dieses Ökosystem müsse "sicher, vertrauenswürdig und stabil" sein. Und schliesslich müssten die Kaufabsicht (Intent) und die Kaufzustimmung (Consent) des Kunden ersichtlich sein. Messina fasste die Erfordernisse in drei Stichworten zusammen: "Sicherheit, Vertrauen und Transparenz".

Auf dem Bild spricht Sandro Graf von der ZHAW mit Daniela Massaro und Davide Messina von Mastercard. Sie befinden sich auf der Bühne des Swiss Payment Forum 2025.

V.l.: Sandro Graf von der ZHAW, Daniela Massaro und Davide Messina von Mastercard. (Source: zVg)

Um Agentic Commerce zu ermöglichen, arbeiten gleich mehrere Konsortien an Schnittstellen und Protokollen. Hier erfahren Sie zum Beispiel mehr über das Agentic Commerce Protocol, an dem sich OpenAI beteiligt. Und hier mehr über das von Google, Mastercard und weiteren Akteuren entwickelte Agent Payments Protocol.

KI kreiert eigene Marktwerte

Heute sichert KI also Transaktionen ab, während sie morgen für den Kunden einkaufen kann. Doch ausgeschöpft ist das Potenzial damit noch lange nicht. Was übermorgen sein könnte, zeigte Zukunftsforscher (Futurist) Matthew Griffin in seinem Vortrag. Schon dadurch, dass KI-Agenten autonom einkaufen, wird sich der Markt grundlegend ändern. Denn mussten Unternehmen ihre Produkte bis jetzt an Menschen vermarkten, müssen sie sie künftig für KI-Algorithmen interessant machen. Als grösste Herausforderungen identifizierte der Redner die Themen Sicherheit und Vertrauen. Heute schon sei es möglich, mit KI in fünf Minuten eine Schadsoftware herzustellen, erklärte er und fügte hinzu: "Sie fallen immer weiter hinter das zurück, was die Kriminellen tun können." Nur vernetzte Sicherheitssysteme, neue Identitätsmodelle und global geteilte Daten könnten die Lücke schliessen.

Zum Schluss seines Referats skizzierte er eine KI-Ökonomie, in der Algorithmen ihre eigenen Marktwerte schaffen und damit handeln. Als Beispiel dafür verwies er auf Goatius Maximus. Dabei handelt es sich um einen KI-generierten Meme-Coin, dessen Wert binnen weniger Tage die Millionen-Dollar-Wertgrenze knackte. Die KI-gesteuerte Wirtschaft stecke noch in den Kinderschuhen: "Ginge es um einen 100-Meter-Lauf, hätte sie erst 50 Zentimeter absolviert", so Griffin. Der Markt dürfte längerfristig ein Volumen von mehreren Billionen Dollar erreichen, prognostizierte der Zukunftsforscher. Noch sei die Frage offen, wer auf diesem Markt als Payment-Provider tätig sein wird.

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