Editorial

Weniger Security durch mehr Security

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von Coen Kaat
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor "IT-Markt". (Source: Netzmedien)
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor "IT-Markt". (Source: Netzmedien)

Die Nutzung von IT-Gadgets ist oft wie eine Beziehung: Manchmal passt es einfach nicht, egal, was man probiert. Diese Erfahrung musste ich unlängst selbst machen. Die Hauptdarstellerinnen in dieser Anekdote sind zwei Netzwerkkameras, die ich zuhause in Betrieb nehmen wollte. Vielleicht, um potenzielle Einbrecher abzuschrecken. Oder vielleicht auch nur, um meine Katzen immer im Blick zu haben, wenn ich nicht zuhause bin.

Wohl etwas ungeduldig installierte ich die Kameras kurz vor einem Wohnungswechsel. Eigentlich hätte ich schon hier ahnen können, dass diese Kameras und ich kein Happy End finden würden. Die angeblich intuitive Installation benötigte einen halben Tag - inklusive zahlreicher Iterationen verschiedener Fehlermeldungen. Die Kameras wollten das WLAN nicht akzeptieren, die App wollte die Kameras nicht finden. Irgendwann hatte ich den Dreh aber raus: Wenn eine bestimmte Fehlermeldung auftaucht, ich diese ignoriere und anschliessend 15 Minuten einfach nur abwarte, erkennen Kamera und App sich plötzlich gegenseitig. Heureka!

Nach dem Umzug schlug die "intuitive" Installation wieder zu - diesmal noch härter. Ich probierte sämtliche Tricks und Einstellungspermutationen aus, die bei der ersten Inbetriebnahme funktioniert hatten. Vergebens. Drei Tage lang versuchte ich immer wieder etwas Neues, aber die Kameras lehnten das Netzwerk stets ab. Eingestehend, dass ich dieses Problem wohl nicht selbst lösen konnte, suchte ich Hilfe beim Support. Zunächst musste ich das Abklappern der Standardvorschläge erdulden. Eingesteckt? Ja. Neustart? Schon versucht. Treiber? Auf dem neuesten Stand. Und dann kam der Moment, an dem mir klar wurde, dass es vorbei war, bevor es wirklich begann. Der Support empfahl, ein möglichst einfaches WLAN-Passwort zu wählen. Idealerweise ausschliesslich aus Kleinbuchstaben und auch nur ein paar wenige davon. Das heisst, um ein IT-Gerät in Betrieb zu nehmen, das die Sicherheit erhöhen sollte, empfahl mir der Hersteller, die Sicherheit des gesamten Netzwerks zu kompromittieren. Ich hatte sogleich ein Bild eines Schlosses vor Augen mit den dicksten Mauern und den schwersten Toren - doch der Schlüssel steckt aussen.

Damit endeten meine Bestrebungen, die Kameras zum Laufen zu bringen. Ich retournierte sie und entschied mich für ein Konkurrenzprodukt. Das war zwar klar teurer. Aber dafür hatte ich nach 15 Minuten bereits Bild und Ton - ganz ohne den Support zu kontaktieren oder auch nur das Handbuch zu konsultieren. Jetzt weiss ich immer, wo meine Katzen schlafen, auch wenn ich nicht im Homeoffice bin. Einbrecher habe ich noch keine beobachtet.

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